Wenn du dich im Tischtennis-Shop umsiehst, wirst du schnell mit Kürzeln bombardiert: ALC, ZLC, CNF, Tamca. Früher war ein Schläger einfach nur aus Holz. Heute gleichen moderne Tischtennis-Hölzer eher High-Tech-Bauteilen aus der Luftfahrt.
Aber warum bauen Hersteller wie Butterfly, Donic oder Tibhar diese Materialien ein? Und – noch wichtiger – welches davon passt eigentlich zu deinem Spielstil?
In diesem Artikel zerlegen wir die "Magie" der Kunstfasern und erklären, was Arylate, Carbon und Co. wirklich bewirken.
Warum überhaupt Kunstfasern?
Bevor wir zu den einzelnen Materialien kommen, müssen wir verstehen, was eine Kunstfaser im Holz generell tut. Ein klassisches Vollholz hat Schwingungen und einen begrenzten Sweet Spot (die Zone auf dem Schlägerblatt, wo der Ball optimal beschleunigt wird).
Kunstfasern sorgen für drei Dinge:
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Vergrößerung des Sweet Spots: Der Ball springt auch am Rand des Schlägers fast genauso gut ab wie in der Mitte.
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Stabilität & Härte: Das Holz verwindet sich weniger, Energieverlust wird minimiert.
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Tempo: Meist (aber nicht immer) machen Fasern das Holz schneller.
Die "Big Player": Die Fasern im Detail
Hier ist die Übersicht der bekanntesten Fasern, sortiert nach ihrem Einfluss auf das Spielgefühl.
1. Classic Carbon (z.B. Tamca 5000)
Das Urgestein der Kunstfasern. Reines Carbon ist extrem steif und leicht.
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Charakteristika: Sehr hart, hohe Bruchfestigkeit, kaum Elastizität.
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Im Spiel: Der Ballkontakt ist sehr kurz, der Absprung flach und direkt. Es gibt wenig Vibration (Rückmeldung).
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Für wen? Kompromisslose Power-Angreifer und Schuss-Spieler, die mit kurzen Bewegungen maximales Tempo erzeugen wollen und weniger Wert auf feinfühliges "Streicheln" des Balles legen.
2. Arylate (Aramid)
Arylate ist eigentlich eine vibrationsdämpfende Faser (verwandt mit Kevlar), die oft weiß oder milchig aussieht.
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Charakteristika: Weich, zäh, absorbiert Schwingungen extrem gut.
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Im Spiel: Es nimmt dem Holz die Spitze beim Aufprall. Der Anschlag wirkt "dumpfer" und kontrollierter. Es ist nicht primär dazu da, das Holz schneller zu machen, sondern den Sweet Spot zu vergrößern, ohne die Kontrolle zu verlieren.
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Für wen? Spieler, die das vibrierende Gefühl von Vollhölzern nicht mögen, aber auch keine "Carbon-Bretter" spielen wollen.
3. ALC (Arylate-Carbon)
Der absolute Goldstandard im modernen Tischtennis (bekannt durch das Viscaria oder Timo Boll ALC). Hier werden die blaue Arylate-Faser und die schwarze Carbon-Faser verwebt.
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Charakteristika: Die perfekte Ehe aus Härte (Carbon) und Dämpfung (Arylate).
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Im Spiel: Du bekommst den "Kick" und die Präzision des Carbons, aber das Arylate nimmt die Härte heraus und verlängert die Ballkontaktzeit (Dwell Time) minimal. Das Ergebnis ist ein "knackiges" aber kontrollierbares Gefühl.
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Für wen? Die meisten Topspin-Angreifer. Es bietet die beste Balance für variables Spinspiel.
4. ZLC (Zylon-Carbon)
Zylon ist eine Faser, die noch widerstandsfähiger und elastischer ist als Aramid/Arylate. Sie wird oft gelb-schwarz verwebt.
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Charakteristika: Zylon ist sehr hart, aber hochelastisch. Es wirkt wie ein Trampolin.
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Im Spiel: ZLC-Hölzer fühlen sich oft härter und direkter an als ALC-Hölzer, haben aber einen ausgeprägten Katapult-Effekt. Der Ball verlässt den Schläger sehr schnell, oft mit einer etwas flacheren Kurve als bei ALC.
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Für wen? Spieler, die aus der Halbdistanz oder beim Gegenspin maximale Power und Unterstützung vom Material suchen. Nichts für Anfänger, da der Katapult schwer zu kontrollieren sein kann.
5. Super ALC & Super ZLC
Dies ist die Weiterentwicklung der klassischen Fasern.
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Charakteristika: Die Webart ist viel feiner und dichter. Es wird mehr Fasermaterial pro Quadratzentimeter verarbeitet.
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Im Spiel: Der Sweet Spot wird noch größer. Der Unterschied ist: Das Feedback ist extrem linear. Egal wo du triffst, der Ball fliegt gleich. Das Holz fühlt sich oft etwas "stumpfer" oder weniger lebendig an als die normale Version, aber die Präzision ist unübertroffen.
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Für wen? Perfektionisten und Profis, die absolute Konstanz benötigen und bereit sind, dafür etwas "Lebendigkeit" im Gefühl zu opfern (und mehr Geld zu bezahlen).
6. Andere bekannte Fasern
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Kevlar-Carbon: Ähnlich wie ALC. Kevlar ist sehr zäh und dämpfend. Oft etwas "weicher" im Anschlag als Arylate.
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Texalium: Eine mit Aluminium beschichtete Glasfaser (sieht oft silbern aus). Sie ist nicht so hart wie Carbon, bietet aber einen knackigen Anschlag. Gut für Allround-Offensivspieler.
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Glasfaser (Glassfiber): Weicher als Carbon, sorgt für einen vergrößerten Sweet Spot und ein sehr weiches, gefühlvolles Spielgefühl. Weniger Tempo, mehr Gefühl.
Innerforce vs. Outer: Die Platzierung entscheidet
Es ist nicht nur wichtig, welche Faser verbaut ist, sondern wo sie liegt.
Outer (Klassisch): Liegt direkt unter dem Deckfurnier. Das Spiel ist sehr direkt, hart und schnell. Der Carbon-Touc ist sofort zu spüren.
Inner (Innerforce): Liegt direkt auf dem Kernfurnier. Das Spielgefühl ist weicher und holzartiger. Die Faser "zündet" erst bei harten Schlägen. Mehr Kontrolle beim passiven Spiel.
Fazit: Welches Holz passt zu dir?
Lass dich nicht vom Marketing blenden. Nur weil "Super ZLC" teurer ist, ist es nicht besser für dein Spiel.
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Wähle ALC, wenn du die perfekte Mischung aus Spin, Kontrolle und Tempo suchst (der Alleskönner).
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Wähle ZLC, wenn du mehr Katapult und Härte für dein Offensivspiel brauchst.
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Wähle Inner-Layer Hölzer, wenn du vom Vollholz kommst und mehr Power willst, ohne das Gefühl zu verlieren.
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Wähle Vollholz, wenn du noch an deiner Technik arbeitest!
Dein Schläger ist nur so gut wie die Hand, die ihn hält. Aber das richtige Material sorgt dafür, dass sich diese Hand wohlfühlt.
geschrieben von Oliver Ceczka
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